Keine Entschuldigung, aber eine Erklärung Parkinson ist eine Krankheit, die auch dazu führen kann, dass man sich nicht mehr 100% auf sich selbst verlassen kann: Was am einen Tag oder in der Stunde jetzt geht, ist in einer anderen Stunde oder übermorgen, gar nicht oder nur sehr viel schwerer möglich. Darunter leidet manche an Termine gebundene Tätigkeit – auch die ständig nötige Aktualisierung dieser Seiten. Die am wenigsten brauchbare Konsequenz wäre, dass Parkis dann eben die Finger davon lassen sollen. Nein, wir müssen nur offen sagen, wie es ist, und um Verständnis bitten. Rückzug ist nicht angesagt. Aber:
„Wenn einer einen Schritt rückwärts macht, könnte es sein, er tut das, um einen neuen Anlauf zu nehmen.“ Mit diesem Zitat eines Kirchenvaters grüßt alle Verständnisvollen Gottfried Lutz
Parkinsontag in der Evangelischen Akademie Bad Boll
Wissenschaftliche Informationen und körperlich-sinnliche Übungen prägten den 3. Bad Boller Parkinson-Tag im März 2012, zu dem etwa 130 chronisch Kranke und ihre Angehörigen in die Evangelische Akademie kamen.
Der Neurologe Jürgen Mertin legte einleitend überzeugend und ermutigend dar, dass das menschliche Gehirn bis ins hohe Alter lernfähig bleibt, allerdings nur, wenn eine hohe Motivation besteht, sich etwas Neues anzueignen und sich darin einzuüben. Wie sehr psychische Mechanismen trotz der unheilbaren und voranschreitenden Erkrankung Einfluss nehmen können, zeigte auch der Neuropsychologe Walter Kaiser auf. Ein Video führte vor, wie ein schwer in den Bewegungen beeinträchtigter Parkinson-Erkrankter nach einer Tiefenentspannung weit flüssiger gehen konnte. Teilnehmer der Tagung berichten über ihre Strategien, Bewegungshemmungen zu überwinden, etwa durch die Vorstellung, in eine schöne Wiesenlandschaft hineinzugehen oder durch das Abrufen einer rhythmischen Lieblingsmusik.
Die Komplexität der Erkrankung macht die Betroffenen zu Experten in eigener Sache. Das zeigte eindrücklich das Gespräch des bisherigen Leiters der Göppinger Parkinsongruppe Gottfried Lutz und des seit vielen Jahren mit ihm bekannten Arztes Jörg Wiechec über das Thema Depression. Wie sich hier Betroffener und Arzt auf gleicher Augenhöhe begegneten, machte überdeutlich, woran es so oft mangelt. Ein Teilnehmer kritisierte, dass sein Hausarzt seine Beschwerden nicht ernst genommen habe, so dass die Parkinson-Erkrankung erst spät diagnostiziert wurde. Auch eine Depression, die sehr häufig das erste Zeichen der Parkinson-Erkrankung ist, wird oft nicht als solche erkannt. Immer wieder wurde auf der Tagung eine Formel des Psychiaters Klaus Dörner aufgegriffen: Für den Patienten, der an einer chronischen Krankheit leidet, braucht es einen „chronischen Arzt“. Daran mangelt es in unserem Gesundheitswesen aber, das immer noch einseitig auf schnelle Heilungserfolge ausgerichtet ist. Darum wird es wohl auch einen vierten Parkinson-Tag in Bad Boll geben.
Dr. Günter Renz, Studienleiter an der Evangelischen Akademie Bad Boll
Gottfried Lutz: Wer schützt die Selbsthilfegruppen vor ihren Helfern?
In der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts haben Menschen mit (meist chronischen) Krankheiten, Behinderungen oder anderen besonders belastenden Eigenschaften oder Lebensumständen begonnen sich zu Selbsthilfe-Gruppen zusammen zu schließen. Sie gingen und gehen noch davon aus, dass jeder Mensch für sich selbst Verantwortung trägt und seine eigenen Möglichkeiten der Bewältigung finden und verwirklichen kann. Die Selbsthilfe-Gruppen sind eine Antwort auf unser Gesundheits- und Sozialwesen. Dieses bietet Hilfen an, die von Profis entwickelt und nach deren Sachverstand gewährt werden. Wer diese Hilfe in Anspruch nimmt, wird dabei Objekt der Hilfe, ist abhängig, und es wird von ihm erwartet, dass er dankbar und kooperativ ist. Das zugrunde liegende Modell der Arzt-Patientenbeziehung könnte man so darstellen: Der Patient ist ganz klein, hilflos und nichts als krank, er muss sich in allem nach den Anordnungen der Klinik richten. Schließlich will er ja gesund werden. Der Arzt ganz weiß, gesund, immer helfend und gut. Natürlich gilt das nicht nur für Ärzte, sondern für alle Therapeuten, Lehrer, Pfarrer – und selbst für „gesunde“ oder „nicht betroffene“ Familienmitglieder. Und natürlich ist diese Darstellung stark vereinfacht und kommt in der Realität hoffentlich immer weniger so vor. Aber die „Macht als Gefahr beim Helfer“, die Adolf Guggenbühl-Craig (dem ich hier folge) beschrieben hat, schleicht sich beim besten Willen immer wieder in die Helferbeziehung ein. Als humorvolle Antwort darauf habe ich gehört: „Die meisten Menschen sind nicht weiß wie die Engel und auch nicht schwarz wie die Teufel, sondern grau wie die Esel.
Jeder Mensch, ob mit oder ohne Behinderung, mit oder ohne Krankheit, mit großer oder kleiner Intelligenz ist nicht nur durch das definiert, was ihm im Vergleich mit anderen fehlt, sondern genauso durch das, was er an Fähigkeiten, Begabungen und Möglichkeiten in sich hat. Dass Therapeuten Ärzte und alle anderen Helfer ihr Handwerk verstehen ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass sie anderen Menschen helfen können. Aber mit einem gebrochenen Arm braucht man nicht nur einen Chirurgen, der das sozusagen wieder in Ordnung bringt. Man hat nicht nur einen gebrochenen Arm, sondern man ist krank. Man muss damit zurechtkommen, dass man Hilfe braucht, dass man vielleicht nicht Auto fahren und nicht alles an-ziehen kann. Dieses harmlose Beispiel wird schnell sehr ungemütlich, wenn man statt dem gebrochenen Arm an eine Querschnittslähmung denkt, an einen bösartigen Tumor oder den Verlust des Gehörs. Die Diagnose: „MS“ oder „Parkinson“ kann einen umwerfen, eine lange mehr oder weniger gut verheimlichte Sucht, die sich irgendwann eben nicht mehr leugnen lässt, stellt alle sozialen, familiären und beruflichen Sicherheiten in Frage.
Es ist längst nachgewiesen, dass Selbsthilfegruppen eine ausgezeichnete Möglichkeit sind, Menschen in solcher Lage zu helfen. Nicht als weitere Fachleute oder „Minipsychologen“, sondern viel eher durch solidarisches Dasein und als unwiderlegbarer Beweis dafür, dass man diese Situation bewältigen kann. Im Diagnoseschock denken viele: „Jetzt ist alles aus.“ Aber es ist eben nicht alles aus, sondern es gibt viele schmerzliche Einschränkungen, aber daneben immer noch viele oder wenige Lebensbereiche, in denen man glücklich leben kann. Und es gibt Menschen, die nicht weglaufen. In einer kleinen Gruppe von Mit-gliedern einer Selbsthilfegruppe, zu der ich gehöre, sagt oft einer am Schluss: „Es tut mir gut, mit euch zu reden. Ich bin dann nicht so allein.“ In einer berufsbezogenen Gruppe von Menschen mit Behinderungen, die ich mitbegründet habe, staunen wir immer wieder und freuen uns darüber, wie gut Menschen mit ganz verschiedenen Schädigungen einander verstehen; die Kommunikation hat eine andere Qualität als die zwi-schen Betroffenen und nicht-betroffenen. In unserer Gymnastikgruppe machen wir natürlich Gymnastik. Aber ebenso wichtig ist, dass man dort lacht und die Blesuren vom letzten Sturz wahrgenommen werden.
Kurz zusammen gefasst: Ich halte die Selbsthilfegruppen für durch nichts zu ersetzende Elemente einer humanen Gesellschaft. Und ich trete vehement dafür ein, sie vor Missbrauch und einer nicht mit ihren ureigenen Zielen zu vereinbarenden Denk- und Handlungsweise zu schützen.
• Da ist einerseits die Pharmaindustrie, die Selbsthilfegruppen gerne unterstützt und vor ihren Karren spannt. Infostände der Firmen fehlen auf keinem Kongress, bei keiner Veranstaltung; Artikel in Broschüren oder in Vereinsmitteilungen über medizinische Fragen, die erkennbar aus der PR- oder Werbeabteilung stammen, werden nicht immer als solche gekennzeichnet. Es fehlt oft an Transparenz und klaren Grenzen. Wenn das gegeben ist, dann ist der Dialog zwischen den Produzenten und den Verbrauchern auf Augenhöhe und in Ordnung.
• Die Gefahr, dass die Krankenkassen und die Ärzte Selbsthilfegruppen als billige „Hilfstruppen“ ein-setzen, die das Defizit an Humanität im Medizinbetrieb kompensieren, aber nichts zu sagen haben, ist nach meiner Erfahrung eher geringer, und es ist auch leichter sich dagegen zu wehren.
• Die Selbsthilfegruppen haben am Anfang vor allem um Selbständigkeit und Eigenverantwortung gegenüber Ärzten und Kliniken gekämpft. Themen wie die Öffnung der Kinderkliniken für Eltern wären ohne Elterninitiativen wohl heute noch tabu. Sie können aber nicht von einer kleinen Gruppe mit ihren sehr begrenzten Möglichkeiten durchgesetzt werden. Es braucht dazu Lobby-Arbeit von landes- oder bundesweit operierenden Verbänden mit hauptamtlichen, meist nicht betroffenen Mitarbeitern. Man muss dann genau aufpassen, dass zwischen den Angestellten und den Betroffenen keine destruktiven Rivalitäten entstehen.
• In vielen Selbsthilfe-Gruppen können auch Angehörige, die nicht behindert sind, Mitglieder werden. Wie auch in der Familie übernehmen die dann wie von selbst ganz verschiedene Aufgaben: Kaffee kochen, Chauffeur, bei der Gymnastik helfen, Rollstühle schieben, dafür sorgen, dass die Betroffenen sich ungestört mit ihren Problemen beschäftigen können usw. In manchen Gruppen ist es auch üblich, dass Nicht-Betroffene Leitungsfunktionen übernehmen. Etwas selbst in die Hand zu nehmen kostet für einen Menschen mit Behinderungen vielleicht mehr Mühe und mehr Zeit. Aber wo kommen wir denn hin, wenn das in einer Selbsthilfe-Gruppe nicht sein darf?!! Man stellt die Philosophie einer Selbsthilfegruppe auf den Kopf, wenn in ihr die Maßstäbe und Messlatten gelten, die außerhalb das Leben schwer genug machen. Wie immer macht auch hier der Ton die Musik. Es ist ein Unterschied, ob die einen sagen: „Ihr könnt das nicht. Das machen besser wir.“ Oder ob die andern fragen: „Könntet Ihr uns diese und jene Aufgabe abnehmen. Wir glauben, dass ihr das in unsrem Sinne macht, und für uns ist es schon sehr mühsam.“
• Innerhalb der Selbsthilfebewegung darf nicht passieren, dass genau das, wogegen die Gruppen ursprünglich angetreten sind, durch die Hintertür wieder ins frisch geputzte Haus kommt: dass ein paar Fachleute das Steuer in der Hand haben und (besser) „wissen“ , was für die Betroffenen gut ist und was die wollen und brauchen. Aus der Selbsthilfe-Gruppe bzw. –Organisation würde so eine behindernde Gruppe oder Organisation.
Gottfried Lutz
Gottfried Lutz: Lob der Frauen
Heute will ich mich mal trauen,
ein Lob zu singen, unsern Frauen
ohne sich je zu beschweren
oder gar aufzubegehren
helfen sie uns früh und spät,
kochen uns Parkinson-Diät,
räumen auf, sind aufgeräumt,
trösten den, der schlecht geträumt,
spielen kostenlos Schofför,
nehmen ab, was uns zu schwer,
vom Wecken bis zum Gute-Nacht-Kuss
bekommt der Service eine 1 +.
Ich denke, dass fast jeder Mann
diesem Lob zustimmen kann.
Die Frage ist nur ob er‘s tut,
seiner frau tut’s sicher gut,
wenn er nicht wie ein stummer fisch,
höchstens mal murmelt: „ jo, guad isch!“
Dieses war der erste Vers
und ich könnt sagen, ja des wär’s,
wenn da nicht zwei besondre Frauen -
auf die kann man, so sag ich, bauen -
besonders heut zu loben wären.
Die muss man wertschätzen und ehren,
Gertrud Reick und Hede Rapp,
die will ich preisen nicht zu knapp.
Was täten wir bloss ohne die?
Kaffee und Brezeln gäb’s dann nie,
die Tische wären nicht geschmückt,
die Stimmung trostlos und bedrückt,
ich hoff, dass Gertrud weiterhin
die gruppe führt als Leiterin
und Hede mit Schwung und Humor
mitmacht in Zukunft wie zuvor.
Ich danke euch von ganzem herzen!
Den letzten Reim find ich noch nicht,
mit Beifall ende das Gedicht!